In der Nacht vom 10. Januar 1992 braute sich an der Datumsgrenze mitten auf dem pazifischen Ozean ein schwerer Sturm zusammen (Kotynek, 2007). Man könnte meinen, für einen solchen Sturm ist das Meer nur eine Badewanne und die Schiffe sein Spielzeug. Als er ein chinesisches Frachtschiff auf dem Weg von Hongkong nach Seattle erfasste, brachte er es fast zum Sinken. 12 Container gingen über Bord. Einer öffnete sich und verlor seine Fracht: 29.000 Quietscheentchen (Abbildung 1).
Knapp 20.000 von ihnen wurden mit der Meeresströmung nach Süden getrieben – mit einer Geschwindigkeit von etwa 11 Kilometern am Tag (Abbildung 2). Viele von ihnen strandeten später an den Küsten von Hawaii, Indonesien, Südamerika und Australien. Etwa 10.000 Planschtiere trieben Richtung Norden. Im November 1992 fand ein Spaziergänger im 3.200 Kilometer entfernten Alaska die ersten Exemplare am Strand und rief den Ozeanographen Curtis Ebbesmeyer in Seattle an.
Ebbesmeyers Spezialgebiet waren damals schon Meeresströmungen. Er erkannte sofort die Möglichkeit, die sich ihm bot, und entwickelte ein Computermodell, um den Weg der Badeenten zu simulieren. Nach seinen Berechnungen sollten sie zunächst im Pazifik in den subarktischen Meereswirbel geraten, der von starken Winden und der Erdrotation angetrieben wird, und müssten dort etwa 3 Jahre lang im Kreis treiben. Nachdem sie den Rand des Wirbels erreichten, würden sie von arktischen Strömungen erfasst und durch die Beringstraße getrieben, die zwischen Alaska und Russland liegt. Dort würden sie im Packeis eingefroren und mit ihm in einer Schleife nördlich um Grönland herum langsam in Richtung Atlantik driften.
Ebbesmeyers Berechnungen sollten sich als richtig herausstellen, denn im Jahr 2001 wurden tatsächlich die ersten Entchen, mittlerweile ausgebleicht und angefressen, zwischen Grönland und Island gesichtet! 2003 passierte der Schwarm den Ort, an dem die Titanic gesunken war, und trieb weiter Richtung Kanada und USA. Im selben Jahr fanden Suchende, mittlerweile belohnt mit einem Finderlohn, die Plastikenten an der nördlichen Ostküste der USA, und auch in Schottland. Der Schwarm hatte sich also geteilt. Die vor der US-Küste verbliebenen Entchen trieben weiter Richtung Karibik, dann in den Golfstrom und mit ihm wieder in den Nordatlantik, wo sie 2007 in Cornwall, Südirland und Schottland an Land gespült wurden. Ebbesmeyers Modellberechnungen führten zu einem sehr viel besseren Verständnis der Meeresströmungen (Boxall, 2009) – den Quietscheentchen sei Dank!
Die thermohaline Zirkulation
Heute weiß man, dass Oberflächenströmungen und Tiefenströmungen zusammen ein weltumspannendes Meeresströmungssystem bilden. Es erstreckt sich vom Nordatlantik über das antarktische Polarmeer, den Indischen Ozean, den nördlichen Pazifik und wieder zurück. Die wichtigsten Antriebsfaktoren sind die Temperatur und der Salzgehalt des Meerwassers bzw. sein Bestreben, diese Unterschiede in den Weltmeeren auszugleichen. Deswegen wird es auch als thermohaline Zirkulation bezeichnet. Die höchsten Geschwindigkeiten hat sie in den Absinkregionen, in denen Wasser von einer Oberflächenströmung zu einer Tiefenströmung fließt. Damit Meerwasser absinken kann, muss es eine hohe Dichte haben. Und dafür muss das Wasser kalt und salzreich sein. Der nördlichste Teil des ohnehin schon relativ salzhaltigen Atlantiks bietet dafür die besten Bedingungen. Denn dort ist das Wasser kalt und durch die Bildung von Meereis im Winter reichert sich noch mehr Salz im Wasser an. Deshalb befinden sich die beiden größten Absinkregionen im Nordatlantik in der Labradorsee zwischen Kanada und Grönland sowie der Grönlandsee zwischen Grönland und Norwegen. In der dazugehörigen Dänemarkstraße befindet sich der größte Wasserfall der Welt. Denn dort stürzen pro Sekunde rund 3 Millionen Kubikmeter kaltes, salzreiches Wasser von 600 Metern auf 4.000 Meter Tiefe herunter. Dieser Wasserfall transportiert doppelt so viel Wasser wie über alle Flüsse der Welt in die Meere fließt (Koszalka et al., 2013).
Hier ist ein schönes 3D-Video zur thermohalinen Zirkulation:
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Die thermohaline Zirkulation transportiert auch viel CO2 durch die Weltmeere (Volk & Hoffert, 1985). Da die CO2-Löslichkeit von Meerwasser temperaturabhängig ist, kann es in den nördlichen (kälteren) Breiten, wie im Südpolarmeer, dem Nordatlantik und dem Arktischen Ozean, viel mehr CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen als am (warmen) Äquator. Dort gibt das Meerwasser sogar mehr CO2 ab als es aufnehmen kann. Die mächtigen Absinkregionen, die sich ja auch in den nördlichen Breiten befinden, transportieren die CO2-reichen Wässer dann in die Tiefe. Dieser Prozess wird als physikalische Kohlenstoffpumpe bezeichnet. Anschließend dehnen sich die CO2-reichen Tiefenwässer Richtung Äquator aus und schieben sich unter die warmen CO2-armen Oberflächenwässer.
Die sogenannte organische Kohlenstoffpumpe pumpt ebenfalls Kohlenstoff in tiefere Meeresschichten. Die allermeisten Meeresbewohner leben nahe an der Meeresoberfläche, wo es ausreichend Licht für Pflanzen und somit Nahrung für Tiere gibt. Photosynthese betreibende Pflanzen senken im Oberflächenwasser den CO2-Gehalt. Sterben die Pflanzen und Tiere, sinken sie ab, bis ein Großteil von ihnen aufgelöst wird und in anorganischen Kohlenstoff zerfällt, was zu einer Zunahme von CO2 in der Tiefe führt. Die beiden Pumpen erklären also die CO2-Zunahme von Meerwasser mit der Tiefe. Ohne sie läge die atmosphärische CO2-Konzentration etwa 150 bis 200 ppm höher als sie heute ist. Vielen Dank also, liebe Kohlenstoffpumpen! 😊
Nicht nur wegen der physikalischen Kohlenstoffpumpe hat die thermohaline Zirkulation einen wichtigen Einfluss auf das Klima auf der Erde. Sie transportiert auch viel Wärmenergie durch die Ozeane, mit der die Atmosphäre in ständigem Austausch ist. Die stärksten Klimaveränderungen der letzten 600.000 Jahren hingen immer mit einer Störung der thermohalinen Zirkulation zusammen (Wunsch, 2004). Die Hauptursache, die diese Störung bewirkte, ist jedoch noch einmal eine andere. Sie liegt außerhalb der Erde im Orbit und leitete etwa alle 100.000 Jahre eine kurzzeitige Warmzeit ein, die die langen Eiszeiten unterbrach (Abbildung 3).
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Die Milanković-Zyklen, die periodischen leichten Klimaerwärmungen aus dem Orbit
Prozesse im Orbit unterliegen ebenfalls rhythmischen Schwankungen. Die Umlaufbahn der Erde um die Sonne schwankt zwischen kreisförmig und elliptisch. Die Neigung der Erdachse schwankt zwischen 22,5° und 24,5°. Und die Rotationsachse pendelt zwischen der Ausrichtung auf den Polarstern und den Stern Vega (Abbildung 4). Diese drei orbitalen Schwankungen, die alle eigenen Zyklen mit einer Dauer zwischen 21.000 und 100.000 Jahren unterliegen, überlagern sich etwa alle 100.000 Jahre, führen zu einer Veränderung der Intensität der auf der Erde eintreffenden Sonnenstrahlung und damit zu einer leichten Klimaerwärmung auf der Erde. Diese alle etwa 100.000 Jahre auftretenden leichten Klimaerwärmungen durch den Orbit werden nach seinem Entdecker auch als Milanković-Zyklen bezeichnet. Die Erde erwärmte sich bei jeder der zurückliegenden Warmzeiten deutlich langsamer als heute.
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Vor 19.000 Jahren, am Ende der letzten Eiszeit, war es wieder so weit. Die leichte Klimaerwärmung der Milanković-Zyklen ließ das Eis der Arktis schmelzen und die Schmelzwässer flossen in die nördlichen Ozeane. Kennen wir das nicht irgendwo her? 😀 Das Meerwasser des Nordatlantiks verlor durch die hohen Schmelzwasserraten seinen hohen Salzgehalt und sank nur noch stark reduziert ab. Die thermohaline Zirkulation war gestört. Als Folge erwärmten sich die Ozeane auf der Südhalbkugel und in ihren Tiefenwässern erhöhte sich die CO2-Löslichkeit (Martin et al., 2005). Das CO2 stieg langsam bis zu den Oberflächenwässern auf (Toggweiler, 1999). Der Aufstieg dauerte ungefähr 1.000 Jahre, bevor das CO2 aus dem Oberflächenwasser schließlich in die Atmosphäre ausgaste.
Die Behauptung ist also richtig, dass eine Klimaerwärmung eine Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre bewirkt (Cook, 2014). Aber erst die erhöhte CO2-Konzentration in der Atmosphäre bewirkte dann den notwendigen großen Temperaturanstieg, um aus der Kaltzeit eine Warmzeit zu machen. Denn mehr als 90 % der weltweiten Erwärmung ereignete sich erst nach dem – durch die Ozeanausgasung bedingten – CO2-Anstieg in der Atmosphäre (Shakun et al., 2012). Die Auswertung von Meeressedimenten aus den Tropen und aus Eisbohrkernen in Island und Grönland bestätigt, dass eine Erwärmung der Atmosphäre dieser Regionen erst etwa 1.000 Jahre nach der Erwärmung des antarktischen Ozeans stattfand (Caillon et al., 2003; Stott et al., 2007).
Die heutige Klimaerwärmung hat sicherlich nichts mit den Milanković-Zyklen im Orbit zu tun, die sind erst in 80.000 Jahren wieder dran. Und sie vollzieht sich viel schneller als die Erwärmungsphasen der letzten Jahrhunderttausende. Die um etwa 1.000 Jahre verspätete Reaktion der Atmosphäre auf eine erhöhte CO2-Löslichkeit im Meer, die eine leichte globale Erwärmung mit sich bringt, lässt jedenfalls eine Ahnung aufkommen, wie das System Erde auf die heutige schnelle Erwärmung in einigen Jahrhunderten regieren dürfte.
Quellenverzeichnis:
Boxall, S., (2009): From rubber ducks to ocean gyres. Nature, 459, 1058-1059
Caillon, N., Severinghaus, J.P., Jouzel, J., Barnola, J.-M., Kang, J., Lipenkov, V.Y. (2003): Timing of Atmospheric CO2 and Antarctic Temperature Changes Across Termination III. Science, 299, 5613, 1728-1731
Cook, J./klimafakten.de (2014): https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-der-co2-anstieg-ist-nicht-ursache-sondern-folge-des-klimawandels (27.08.2020)
Koszalka, I.M., Haine, T.W.N., Magaldi, M.G. (2013): Fates and Travel Times of Denmark Strait Overflow Water in the Irminger Basin. Journal of Physical Oceanography, 43, 12, 2611-2628
Kotynek, M. (2007): Quietscheentchen auf hoher See. Süddeutsche Zeitung, 03.07.2007, https://www.sueddeutsche.de/wissen/meeresforschung-quietscheentchen-auf-hoher-see-1.912309
Martin, P., Archer, D., Lea, D.W. (2005): Role of deep sea temperature in the carbon cycle during the last glacial. Paleoceanography and Palaoclimatology, 20, PA2015, https://doi.org/10.1029/2003PA000914
Shakun, J.D., Clark, P.U., Feng, H., Marcott, S.A., Mix, A.C., Zhengyu, L., Otto-Bliesner, B., Schmittner, A., Bard, E. (2012): Global warming preceded by increasing carbon dioxide concentration during the last deglaciation. Nature, 484, 49-54
Stott, L., Timmermann, A., Thunell, R. (2007): Southern Hemisphere and Deap-Sea Warming Led Deglacial Atmospheric CO2 Rise and Tropical Warming. Science, 318, 5849, 435-438
Toggweiler, J.R. (1999): Variation of atmospheric CO2 by ventilation of the ocean‘s deepest water. Paleoceanography and Palaoclimatology, 14, 5, 571-588
Volk, T., Hoffert, M. (1985): Ocean Carbon Pumps: Analysis of Relative Strength and Efficiencies in Ocean-Driven Atmospheric CO2 changes. In: The Carbon Cycle and Atmospheric CO2: Natural Variations Archean to Present. ISBN: 9780875900605, 32
Wunsch, C. (2004): Quantitative estimate of the Milankovitch-forced contribution to observed Quaternary climate change. Quarternary Science Reviews, 9-10, 1001-1012