Frohes Neues Jahr! Ich hoffe, ein jeder ist gut herübergekommen. Der Silvestertag bietet sich ja immer für eine Rückschau auf das vergangene Jahr an. Mir persönlich geht es so, dass die Zeit schon schnell vergeht, aber das Jahr im Rückblick dennoch lang erscheint. Ich erkläre es mir damit, dass ich versuche, einzelne zurückliegende Ereignisse durch gezieltes Erinnern ins Bewusstsein zurückzuholen, um ein Vergessen zu verhindern, das sich immer auch auf die Zeitwahrnehmung auswirkt. Dennoch vergisst man leider das meiste – wie auch beim Rückblick auf das tägliche Wetter.
Es ist also sehr gut, dass wir die Wetteraufzeichnungen haben! Aber leider verraten sie folgendes: Der Sommer 2020 war auf der Nordhalbkugel der wärmste sowie 2020 in Europa das wärmste Jahr und in Deutschland mit 10,4° C das zweitwärmste Jahr seit dem – wie es dann immer heißt – Beginn der Wetteraufzeichnungen. Nur wann man eigentlich damit begonnen, das Wetter umfassend aufzuzeichnen?
Die ersten kürzeren Wetteraufzeichnungen entstanden Mitte des 17. Jahrhunderts in Mittelengland. Ab 1700 gibt es die erste durchgängige Temperaturmessreihe in den Niederlanden. Die deutsche Variante in Berlin von 1719 an galt dann nicht als besonders genau. 1781 zeichnete der Kurfürst von der Pfalz, Karl Theodor, die erste zuverlässige Messreihe in Deutschland auf. Sie war Teil des ersten internationalen klimatologischen Messnetzes. Da dies jedoch nur eine einzelne Station war, lässt sich daraus keine überregionale Wetteraufzeichnung ableiten. Verlässliche Zeitreihen der globalen Temperaturentwicklung gibt es seit 1851. In Deutschland ließ erst 1881 ein flächendeckendes Netz von Messstandorten die Beurteilung einer räumlich gut aufgelösten Temperatur- und Niederschlagsverteilung zu und die offizielle Wetteraufzeichnung beginnen – immerhin noch vor der Einführung einer einheitlichen landesweiten Zeit im Jahr 1893. 😀
Temperaturentwicklung seit 1881
Das Jahr 1881 scheint für menschliche Maßstäbe schon weit zurückzuliegen, aber aus geologischer Sicht war es gerade eben erst. Wenn wir „nur“ den Zeitraum vom Ende der letzten Eiszeit vor rund 20.000 Jahren bis heute auf ein Jahr herunterbrechen, dann fällt das Jahr 1881 auf den 29. Dezember ungefähr um 10:30 Uhr morgens! Die Wetteraufzeichnungen erlauben uns also nur einen ziemlich kurzen Rückblick in die (geologische) Vergangenheit. Dennoch kam es in dieser „kurzen“ Zeit zu einem bemerkenswerten Temperaturanstieg von 1,6° C (Abbildung 1). Eisbohrkerne in der Arktis erlauben einen Rückblick auf die jährlichen Temperaturen der letzten rund 800.000 Jahre. Die Rekonstruktion der atmosphärische CO2-Konzentration aus fossilen Pflanzenresten erlaubt Rückschlüsse auf die globalen Temperaturen sogar für einen noch viel längeren Zeitraum – bis zum Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren und noch viel weiter in die geologische Vergangenheit zurück.
Global ist es seit Beginn der industriellen Revolution ein paar Jahrzehnte vor 1881 mit 0,8° C also nur etwa halb so viel wärmer geworden wie in Deutschland. Wenn das 2-Grad-Ziel nur für Deutschland, und nicht global, gelten würde, dürfte es hierzulande bis zum Jahr 2100 nur noch um 0,4° C wärmer werden. Und eins steht fest. Es wird immer schneller wärmer. Von den wärmsten 24 Jahren seit 1881 liegen 16 in den letzten 20 Jahren und von den kältesten 20 Jahren keins (Abbildung 2).
Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn wir uns nur die Sommermonate (Juni bis August) und Wintermonate (Dezember bis Februar) anschauen (Abbildungen 3a und 3b).
Fast alle der wärmsten 15 Sommer seit 1881 haben die meisten von uns erlebt, liegen sie doch in den vergangenen 30 Jahren. Der Sommer 2020 gehörte zu den 10 wärmsten Sommern und der Winter 2020 ist der zweitwärmste überhaupt gewesen (Abbildung 4).
Gerade bei den wärmer werdenden Sommern ist es keine Überraschung, dass auch die Anzahl der Sommertage und heißen Tage pro Jahr zunimmt (Abbildung 5).
Die Temperaturen sind also vor allem in den letzten 10 bis 30 Jahren deutlich angestiegen. In dem Zeitraum ist global auch der CO2-Ausstoß deutlich angestiegen.
Niederschlagsentwicklung seit 1881
Zunächst einmal ist es gut, sich klarzumachen, dass die eigene subjektive Einschätzung zur Temperatur in einem gewissen Zeitraum viel einfacher ist als die zur Niederschlagsmenge. Ein Thermometer hat jedes Handy und früher fast jeder Haushalt – aber einen Messbecher draußen stehen haben wohl die wenigsten. Praktisch kann man als Laie nur anhand von Pegelständen von Bächen und Flüssen oder Pfützengrößen 😀 die Niederschlagsmenge abschätzen. Zudem ist die Niederschlagsmenge lokal, wie z. B. bei Sommergewittern, ganz unterschiedlich verteilt.
Für einen durchschnittlichen landesweiten Niederschlagswert wird der Niederschlag über ganz Deutschland natürlich geglättet. Der große Vorteil daran ist, dass dadurch einzelne Extremwetterereignisse aus der Statistik herausfallen und sich langfristige Trends zur Niederschlagsmenge ableiten leiten.
Oder auch Nicht-Trends, denn im Gegensatz zur Temperatur gibt es bei der Niederschlagsentwicklung seit 1881 keinen eindeutigen Trend (Abbildung 6). Es hat immer schon viel geregnet oder auch nicht, in kühlen Jahren sowie in warmen Jahren. In den überdurchschnittlich warmen Sommermonaten 2020 (Juni bis August) zum Beispiel fiel fast so viel Niederschlag wie sonst auch.
Auch in den vergangenen 30 Jahren gab es bei der Niederschlagsmenge (anders als bei der Temperatur) keinen Trend hin zu einer Ab- oder Zunahme. Dies lässt sich für ganze Jahre (Abbildung 7a) beobachten sowie für die Sommermonate (Abbildung 7b). Höchstens wurden die Winter in diesem Zeitraum nässer.
Trockene Sommerhalbjahre 2018, 2019 und 2020
Natürlich ist uns allen noch die enorme Trockenheit 2018 im Bewusstsein, als es mancherorts von Februar bis November nicht richtig regnete. Für viele, mich eingeschlossen, waren die Weltraumaufnahmen des Astronauten Alexander Gerst richtig schockierend, die Mitteleuropa nur noch in bräunlichen Farben zeigten – und damit das ganze Ausmaß der Trockenheit (Abbildung 8). Und tatsächlich war 2018 das erste Jahr seit 1881, in dem die klimatische Wasserbilanz zumindest in Nordrhein-Westfalen negativ war – also die Verdunstungsmenge größer als die Niederschlagsmenge. 2018 lebten wir demzufolge nicht mehr in einem humiden Klima, in dem die Wasserbilanz immer klar positiv ist, sondern in einem ariden Klima, oder auch einem Wüstenklima, wie man es sonst nur in Mittelspanien oder Nordafrika kennt.
2018 fiel im Sommerhalbjahr (April bis September) 63 % der durchschnittlichen Niederschlagsmenge, 2019 81 % und 2020 auch wieder nur 70 %. Drei Dürresommerhalbjahre in Folge gab es seit 70 Jahren nicht mehr, aber für einen Trend reichen drei Jahren noch lange nicht aus. Hoffen wir mal, dass sich keiner daraus entwickelt!