Die Zugspitze ist der höchste Berg! Er ist stolze 2.962 Meter hoch und wenn man ganz dicht vor ihm steht, könnte man meinen, die Zugspitze würde alle anderen Berge der Welt überragen. Selbst der Mount Everest mit seinen 8.848 Metern verblasst regelrecht gegenüber der Zugspitze! Ok, hier ist ein tatsächlicher Höhenvergleich zwischen beiden Bergen (Abbildung 1):
Anstieg des Anteils erneuerbarer Energien im Stromsektor
Auch wenn der vorige Blick auf die Zugspitze sehr verzerrt wirkt, bei der Energiewende tun wir an sich nichts anderes. Denn, um bei dem Beispiel zu bleiben, dort entspricht die Zugspitze in etwa dem Stromsektor. Wir schauen bei der Energiewende einfach immer nur auf den Stromsektor und lesen Schlagzeilen wie diese (Abbildung 2):
Und in der Tat nimmt der Anteil erneuerbarer Energien im Stromsektor seit Jahren kontinuierlich zu. 2010 lag er bei 17 %, 2015 bei 30 %, 2018 bei 37 % und im ersten Quartal 2020 hat er einen absoluten Rekordwert von 54,7 % erreicht (Abbildung 3). Im ersten Halbjahr 2020 lag er insgesamt immer noch bei 48 %.
Wärmeverbrauch viel höher als Stromverbrauch
Der Stromverbrauch ist jedoch nur die eine Seite der Medaille, also wenn überhaupt! Denn er ist mit 526 TWh weniger als halb so hoch wie der Wärmeverbrauch in Deutschland mit rund 1.200 TWh (Abbildung 4). Im Verkehrssektor fallen zusätzlich 739 TWh an.
Wenn wir die Energiewende vollständig betrachten wollen, müssen wir also einen stärkeren Fokus auf den Wärmesektor legen, wie es Prof. Bracke im Interview betont hat. Das Verhältnis zwischen dem Nettostromverbrauch und dem Wärmeverbrauch entspricht in etwa dem zwischen der Höhe der Zugspitze und der Höhe des Mount Everest. Weil der Wärmesektor in unserem Vergleich dem Mount Everest entspricht, schauen wir uns den noch mal genauer an, um ihn nicht zu übersehen 😉:
Stagnation des Anteils erneuerbarer Energien im Wärmesektor
Im Wärmesektor stagniert die Entwicklung des Anteils erneuerbarer Energien seit einigen Jahren bei nur rund 14 % (Abbildung 5). So lange er im relativ großen Wärmesektor nicht steigt, nützt uns für die Energiewende seine Zunahme im relativ kleinen Stromsektor gar nicht viel. Wir müssen die erneuerbare Wärme ausbauen. Und gerade die Geothermie kann hierfür eine als grundlastfähige Energiequelle eine wichtige Rolle spielen!
Wärmewende mit Geothermie meistern
Der Endenergieendverbrauch in Deutschland lässt sich in die Sektoren Verkehr (mit 30 %), Industrie (mit 29,9 %), Haushalte (mit 25,5 %) und Gewerbe/Handel/Dienstleistungen (mit 15,5 %) gliedern (Abbildung 6). Und die Wärme macht den jeweils größten Anteil im Sektor Haushalte (mit 89,3 %), im Sektor Industrie (mit 73,7 %) und im Sektor Gewerbe/Handel/Dienstleistungen (mit 57,6 %) aus. Gerade hier stellt die Geothermie eine entscheidende Stellschraube dar. Der Wärmebedarf für private Haushalte (insbesondere zum Heizen) liegt im Temperaturbereich von 30° C bis 70° C. Dafür eignet sich die oberflächennahe Geothermie ideal. Aber auch beim Wärmebedarf für die Industrie, der im Wesentlichen aus Prozesswärme von 100° C bis 150° C besteht, kann die tiefe Geothermie in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen.
Wir heizen immer noch zu viel mit Erdgas und Erdöl
Bislang wird die Wärme für private Haushalte immer noch zu fast 60 % durch die fossilen Energieträger Erdgas und Erdöl bereitgestellt (Abbildung 7)! Dadurch emittieren wir riesige Mengen CO2 in die Atmosphäre, die wir leicht einsparen könnten und in Zukunft auch müssen, um die Klimaziele zu erreichen.
Von den 40,6 Millionen Haushalten in Deutschland heizen 88 % mit Erdgas, Erdöl oder Fernwärme und nur 2 % mit einer Wärmepumpe (Abbildung 8). Der CO2-Ausstoß einer Ölheizung ist mit 6.400 bis 8.000 Kilogramm pro Jahr und Einfamilienhaus besonders hoch. Der CO2-Ausstoß einer Gasheizung mit 4.940 Kilogramm und der einer Fernwärme-Heizung mit 5.400 Kilogramm sind immer noch relativ hoch. Der CO2-Ausstoß einer Wärmepumpen-Heizung ist mit nur 1.500 Kilogramm schon deutlich geringer, selbst wenn der Strommix, der die Wärmepumpe betreibt, mit fossilen Brennstoffen erzeugt wurde. Wenn die Wärmepumpe mit komplett erneuerbarem Strom betrieben wird, sinkt ihr CO2-Ausstoß sogar auf nur rund 500 Kilogramm. Wie gesagt, alle geothermischen Anlagen nutzen Wärmepumpen als Wärmeüberträger ins Heizungssystem. Daher ist es auch völlig logisch, dass die staatliche Förderung eine Extraprämie vorsieht, wenn eine Ölheizung durch eine Wärmepumpen-Heizung ersetzt wird.
Massiver Ausbau der Wärmepumpen nötig
Wir brauchen einen massiven Ausbau der Wärmepumpen, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen (Abbildung 9), was bedeutet, dass mindestens die Menge CO2, die in die Atmosphäre emittiert wird, auch wieder gebunden wird. Um die dafür geforderte Reduktion von 80 % der CO2-Emissionen zu schaffen, brauchen wir einen Ausbau der Wärmepumpen von heute 900.000 auf bis zu 16,1 Millionen im Jahr 2050. Wenn wir die heutige Entwicklung einfach fortschreiben, kommen wir nur auf etwas mehr als 3 Millionen Wärmepumpen im Jahr 2050 und verfehlen das Ziel klar.
Wenn wir die Klimaziele bis 2050 erreichen wollen, müssen wir den Mount Everest ins Blickfeld nehmen und die Wärmewende vorantreiben! Die Geothermie bietet dafür große Chancen.