Wenn man sich das Video über die heißen Quellen ansieht, könnte man neidisch werden. Isländer müsste man sein! Nach dem Feierabend noch mal schnell ins Thermalbad, die Frage ist nur, in welches? Es gibt ja so viele. Im Thermalbad lässt sich gut über das Leben philosophieren. Aber man kann sich auch die Frage stellen: „Wo kommt die ganze Wärme eigentlich her?“ oder „Und ok, aber warum geht die Wärme nicht aus?“ Die Antwort ist genauso unglaublich wie faszinierend.
Etwa 30 – 50 % der Erdwärme sind Restwärme aus der Erdentstehungszeit vor 4,6 Milliarden Jahren (Jackson & Pollack, 1987). Und die restlichen 50 – 70 %? Die hat die Erde selbst produziert und tut es immer noch.
Die Mantelkonvektion – ein gigantischer Wärmetransport
50 – 70 % der Erdwärme geht aus dem Zerfall radioaktiver Elemente, wie Uran-238 oder Thorium-232, im Erdinneren hervor (Turcotte et al., 2001). Ok, diese radioaktiven Elemente stammen ursprünglich nicht von der Erde. Sie wurden während einer Supernova-Explosion eines Sterns gebildet, die anschließend wohl die Entstehung unseres Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren ausgelöst hat (Looney et al., 2006). Sie befinden sich also seit der Erdentstehung im Erdinneren, zerfallen in langen Zerfallsreihen schließlich zu den stabilen Elementen Blei-208 und Blei-206 und geben dabei sehr viel Wärme ab. Wie viel Energie in der Spaltung von Uranatomkernen steckt, zeigt die Menge des erzeugten Stroms in Atomkraftwerken. Die Halbwertzeit von Uran-238 liegt bei 4,5 Milliarden Jahren und die von Thorium-232 bei 14 Milliarden Jahren. Wir brauchen also keine Angst zu haben, dass die Erde in naher Zukunft auskühlt. 😉
Die Wärme, die im unteren flüssigen Erdmantel radioaktiv entsteht, steigt aufgrund des Temperaturgefälles nach oben auf und treibt die sogenannte Mantelkonvektion an (Abbildung 1). Die kontinentalen und ozeanischen Platten, die aus Lithosphäre und Kruste bestehen, „schwimmen“ auf dem flüssigen Erdmantel. Die Konvektionsströme aus heißem Mantelgestein durchdringen die Erdkruste an Mittelozeanischen Rücken, wo es zu ozeanischer Kruste erstarrt. An Mittelozeanischen Rücken führt das heiße aufsteigende Mantelgestein also ständig zur Bildung neuer ozeanischer Erdkruste, die ältere ozeanische Kruste nach außen verdrängt. Die Bewegung der Platten, die Plattentektonik, ist also ebenso Teil der Mantelkonvektion. Dieses Video von Quarks und Co veranschaulicht die Kräfte der Plattentektonik:
Für uns Menschen wirkt die Kraft der Plattentektonik gigantisch. Aber sie ist nur der äußere Ausläufer der noch viel größeren Kraft der Mantelkonvektion. An Subduktionszonen (Abbildung 1) sinkt die ozeanische Kruste – mit jedem großen Erdbeben ein Stück weiter – unter die kontinentale Kruste und schließlich bis zum Erdkern ab. Mit zunehmender Tiefe und Temperatur heizen sich die alten Krustensegmente stark auf. Schließlich werden sie aufgelöst und ihre Überreste gelangen wieder zum Ausgangspunkt des Kreislaufs der Mantelkonvektion zurück. Die Dauer eines Umlaufs dauert etwa 240 Millionen Jahre (Zhong & Zhang, 2005).
Die Mantelkonvektion bewirkt zudem die Bildung und Aufrechterhaltung des Erdmagnetfelds (Biggin et al., 2012). Der Erdkern, der große Mengen von magnetischem Eisen und Nickel enthält, ist so heiß, dass diese nicht magnetisierbar sind. Sie dienen daher nur als elektrische Leiter zum Erdmantel. Schon zu Beginn der Erdentstehung lenkte die Erdrotation die Konvektionsströme des Erdmantels auf schraubenförmige Bahnen, die zusammen mit der elektrischen Energie aus dem Erdkern Strom und einen Magnetismus erzeugten. Anschließend wurde der für die Aufrechterhaltung des Erdmagnetfelds benötigte Strom vom Erdmagnetfeld selbst erzeugt, wie das folgende Video zeigt:
Das Mantelgestein, das an mittelozeanischen Rücken austritt, enthält ebenfalls etwas Eisen. In flüssigem Zustand richten sich seine magnetischen Nadeln nach dem magnetischen Nordpol aus. Wenn das Gestein abkühlt und erstarrt, wird ihre Ausrichtung eingefroren. Die Ausrichtung der Eisennadeln in Gesteinen der ozeanischen Kruste, die sich pro Jahr etwa um 5 cm vom mittelozeanischen Rücken entfernt, lässt einen Rückblick auf die Bewegungen des magnetischen Nordpols und Polumkehrungen der letzten 200 Millionen Jahre zu. Und sie haben Anfang des 20. Jahrhunderts auch deutlich gemacht, dass es ebenso lang schon die Plattentektonik geben muss. Denn die Gesteine von zwei ozeanischen Krustenstreifen, die auf beiden Seiten des mittelozeanischen Rückens denselben Abstand zu ihm haben, beinhalten immer magnetische Nadeln mit derselben Ausrichtung.
Wo sich die meiste Erdwärme entnehmen lässt
Über Subduktionszonen sind die Voraussetzungen für Geothermie am besten, denn sie gehen mit ausgeprägtem Vulkanismus und einem hohen geothermischen Gradienten einher (Abbildung 2). Die ozeanische Platte, die mit aufliegenden Sedimenten und Meerwasser, absinkt, heizt sich auf und gibt durch Mineralumwandlungen im Erdmantel in einer Tiefe von 90 bis 120 Kilometern Fluide, wie z. B. Wasser, frei. Dieses Wasser setzt den Schmelzpunkt des großflächigen darüber liegenden Mantelgesteins herab, das in der Folge teilweise aufschmilzt. Die dabei entstehenden Magmen steigen auf und bilden langgestreckte Ketten von Vulkanen, die immer wieder ausbrechen (Abbildung 3).
Europa – ein Ort der Verschonung
Europa kann man in vielen Punkten sicherlich als Insel der Seligen bezeichnen, z. B. im Ausbleiben von Naturkatastrophen, wie beispielsweise Erdbeben. Denn wir haben keine Subduktionszone und damit auch keine starken Erdbeben und keinen nennenswerten Vulkanismus. Aber dafür hat Europa – abgesehen von einigen Ausnahmen wie Italien, weil es dort Vulkanismus gibt – auch keine hervorragenden geologischen Voraussetzungen für die Gewinnung von Erdwärme.
Dennoch ist es für uns Europäer wohl ein Glück, dass die ozeanische Kruste, die am Mittelatlantischen Rücken gebildet wurde, noch nicht kalt und schwer genug ist, um unter die europäische Platte abzusinken. Dafür ist der Mittelatlantische Rücken mit einem Alter von schlappen 200 Millionen Jahren einfach noch zu jung. 😉 So „schiebt“ die ozeanische Platte Nord- und Südamerika im Westen sowie Europa und Afrika im Osten bislang einfach nur weiter voneinander weg. Das Erdbeben von Lissabon im Jahr 1755 mit einer Stärke von 8,5 bis 9 auf der Richterskala könnte jedoch schon ein Anzeichen dafür sein, dass langsam auch am Westrand von Europa eine Subduktionszone entsteht (Gutscher, 2004).
Wer einen Eindruck von der Zerstörung des Stadtzentrums von Lissabon damals bekommen und einen portugiesischen Chorgesang hören möchte, schaue sich dieses Video an:
Wir Europäer können uns schon glücklich schätzen, dass die gigantische Kraft der Mantelkonvektion – abgesehen von diesem schweren Erdbeben – uns so weitgehend verschont. Um auf den Anfang zurückzukommen: In der Erde fließt ständig Wärme. Wenn Wärme an der Oberfläche als Thermalquellen austritt oder geothermisch genutzt wird, strömt also ständig neue nach. Auf Island kann man also noch lange in die heißen Thermalquellen gehen. 😊
Quellennachweis:
Biggin, A.J., Steinberger, B., Aubert, J., Suttie, N., Holme, R., Torsvik, T.H., van der Meer, D.G., van Hinsberger, D.J.J. (2012): Possible links between long-term geomagnetic variations and whole-mantle convection processes, Nature Geoscience, 5, 526-533
Gutscher, M.-A. (2004): What caused the Great Lisbon Earthquake? Science. 305(5688):1247-1248
Jackson, M.J., Pollack, H.N. (1987): Mantle devolatilization and convection: Implications for the thermal history of the Earth. Geophysical Research Letters, 14, 7, 737-740
Looney, L.W., Tobin, J.J., Fields, B.D. (2006): Radioactive Probes of the Supernova-contaminated Solar Nebula: Evidence that the Sun Was Born in a Cluster. The Astrophyical Journal, 652, 2, 1755-1762
Turcotte, D.L., Paul, D., White, M.W. (2001): Thorium‐uranium systematics require layered mantle convection. Journal of Geophysical Research – Solid Earth, 106, B3, 4265-4276
Zhong, J.-Q., Zhang, J. (2005): Thermal convection with a freely moving top boundary. Physics of Fluid, 17, DOI: 10.1063/1.2131924